Die Roadshow der Jungen Wirtschaft zum Thema „Künstliche Intelligenz – Chance oder Bedrohung?“ fand am 11. Juni in Wien ihren fulminanten Abschluss. Moderiert von Christiane Holzinger, Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft, und Barbara Havel, Landesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Wien, stellten sich Experten aus verschiedenen Branchen der Frage: Was kann KI eigentlich, welche Chancen birgt sie und welche Risiken können sich auftun?

Bevor es in medias res ging, rekapitulierte Mariana Kühnel, stv. Generalsekretärin der WKO, die vergangenen Monate, in denen die Roadshow durch alle neun Bundesländer zog. „Die Junge Wirtschaft nimmt in Sachen KI eine Vorreiterrolle ein – viele Unternehmerinnen und Unternehmer nutzen bereits KI in ihren Betrieben“, so Kühnel. Es gelte nun, in Sachen Innovation auch international am Ball zu bleiben bzw. aufzuholen. Kühnel: „China ist uns weit voraus. Europa hat enormen Aufholbedarf, was Künstliche Intelligenz angeht.“

Dass Künstliche Intelligenz ein sehr breites Feld ist, macht es laut Thomas Schaufler, Vorstand für Privatkunden der Erste Bank, nicht unbedingt leichter, sich zurechtzufinden. Im Bankbereich wird KI bereits eingesetzt: „Derzeit können wir beispielsweise erkennen, dass die gleichzeitige Verwendung einer Kreditkarte an zwei unterschiedlichen Orten auf der Welt aller Wahrscheinlichkeit nicht mit rechten Dingen zugeht. Wir wollen aber rascher reagieren können und nicht erst dann, wenn dem Kunden schon ein Schaden entstanden ist.“ Aus Schauflers Sicht muss KI das Leben der Menschen bequemer und sicherer machen.

 

Was kann Künstliche Intelligenz und wo geht die Reise hin?

Die erste Keynote des Abends hielt Clemens Wasner, Gründer von AI Austria. „Das Spannende an KI ist, dass das Thema in Europa und Asien völlig unterschiedlich diskutiert wird. In Europa geht es in erster Linie darum, dass z.B. ein autonom fahrendes Auto für mehr Komfort sorgen soll. In Asien ist das ein Wirtschaftsthema, das jede Menge Innovationen nach sich gezogen hat“, so Wasner, der selbst jahrelang in Asien gelebt und gearbeitet hat. KI berge vor allem Chancen für mehr Wirtschaftswachstum, neue Geschäftsmodelle (etwa die Empfehlungsmodelle bei Streamingdiensten wie Netflix) und mehr Produktivität.

Warum KI gerade jetzt so einen Boom erlebt? Für Wasner ganz einfach: Hardware und Algorithmen sind besser geworden, und das Internet erlaubt das Abspeichern bzw. Sammeln großer Datenmengen. Dazu kommt eine extrem rührige, kreative Open-Source-Community, die sich in ständigem Austausch befindet.

Und was kann KI eigentlich heute schon? „Sprachassistenten erleben seit dem Echo – besser bekannt als Alexa – von Amazon einen regelrechten Boom, autonomes Fahren ist inzwischen auch möglich. Aber die Einsatzmöglichkeiten sind deutlich vielfältiger. KI lässt sich z.B im Versicherungswesen einsetzen, um Betrug rechtzeitig zu erkennen, oder in der Landwirtschaft, um z.B. das Verhalten von Nutztieren zu analyiseren“, so Wasner. Aus seiner Sicht ist Künstliche Intelligenz nicht nur für große Unternehmen und Nationen relevant, sondern für jeden Wirtschaftstreibenden. Wasner: „Schon heute kann KI einen wichtigen Beitrag für KMUs leisten.“

 

Best-Practice-Beispiele

Von der Theorie ging es nach kurzen Statements von Martin Puaschitz (UBIT) und Matthias Bischof (Austria Wirtschaftsservice) direkt in die Praxis über. Gleich drei Best-Practice-Beispiele aus unterschiedlichen Branchen illustrierten, was KI zu leisten im Stande ist:

  • Harald Schnidar, ScarletRed, zeigte auf, wie sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz der digitale Gesundheitsmarkt revolutionieren lässt und wie KI in der Dermatologie zum Einsatz kommt. So kann mit Hilfe einer App z.B. beurteilt werden, ob eine Rötung in Folge einer Impfung entstanden ist. Langfristig sollen Patienten via Tele-Dermatologie schneller zu einer Einschätzung eines veränderten Hautbildes und gegebenenfalls rascher zur richtigen Behandlung gelangen.
  • Andreas Rath, Ondewo GmbH, erklärte anschaulich, wie menschliche Gespräche mit Maschinen automatisiert und verbessert werden können – aktuelle Chatbots sind nicht der Weisheit letzter Schluss, im Gegenteil, da geht noch mehr. Die KI von Ondewo kann beispielsweise 20 bis 30 Prozent aller Anfragen automatisieren, versteht menschliche Sprache und kann auch Formulare für den Kundensupport automatisch ausfüllen.
  • Rainer Planinc, cogvis software, demonstrierte, wie ein intelligenter Sturzsensor bis zu 95 Prozent aller Stürze verhindern und Pflegekräfte rechtzeitig alarmieren kann, noch ehe es zum Sturz kommt. Dadurch bleibt mehr Zeit für die persönliche Pflege, die Patienten erlangen mehr Lebensqualität, und das Pflegepersonal wird durch einen einzigen Sensor, der 20 Quadratmeter abdecken kann, nachweislich entlastet.

 

Müssen wir uns vor einem „Terminator“-Szenario fürchten?

Die anschließende Podiumsdiskussion wurde von Barbara Havel, Vorsitzende der Jungen Wirtschaft Wien, moderiert, und sie hatte auch gleich einige tiefer gehende Fragen an die Experten: „Gibt es eigentlich auch negative Auswirkungen, mit denen wir rechnen müssen?“, wollte sie von Clemens Wasner wissen. Derzeit, so Wasner, seien negative Auswirkungen noch nicht so spürbar: „Wir befinden uns gerade in einer Art Honeymoon-Phase, was KI angeht. Langfristig muss man aber schon die Frage stellen, welche Daten man sammeln möchte und welche Entscheidungen man tatsächlich einer Maschine übertragen will.“ Von einem „Terminator“-Szenario, in dem intelligente Maschinen die Weltherrschaft an sich reißen, sei man aber sehr weit entfernt, so Wasner.

Von Andreas Rath wollte Barbara Havel wissen, ob es Branchen gibt, in denen KI bereits jetzt stärker eingesetzt wird als in anderen und ob diesbezüglich eine Veränderung zu erwarten ist. Natürlich spiele das Budget eine Rolle, so Rath. Manche Branchen hätten es leichter, KI optimal einzusetzen, weil sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, während andere noch etwas hinterherhinken. „Und wo stehen wir in Sachen KI in 15 Jahren?“, so Havels nächste Frage. Harald Schnidars Einschätzung zufolge wird sich vor allem das autonome Fahren rasch entwickeln, und auch Diagnosetools für einzelne Erkrankungen werden möglich sein. Und wie steht es um den Arbeitsmarkt? Nimmt uns die KI Arbeitsplätze weg? Nein, meint Rainer Planinc. „Es wird sicher Änderungen am Arbeitsmarkt geben, aber das wird in erster Linie repetitive Tätigkeiten betreffen. Andere Berufe, wie z.B. die Pflege, wird man durch KI nie ersetzen können. Da geht es einfach um die menschliche Komponente, das kann die beste KI nicht leisten.“

 

… und zu gewinnen gab es auch was!

Ehe die zahlreichen Besucherinnen und Besucher ins Networking entlassen wurden, gab es noch etwas zu gewinnen: „Schaut bitte alle unter eurem Sitz nach – wir verlosen einen Bildungsgutschein über 200 Euro fürs WIFI“, kündigte Barbara Havel an. Was der glückliche Gewinner mit seinem Gutschein anstellen wird, weiß er noch nicht, aber eine Fortbildung in Sachen KI wäre angesichts der zahlreichen Möglichkeiten vielleicht nicht die schlechteste Idee.

 

Impressionen von der KI Roadshow, Copyright WKW/Adrian Almasan

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