Sebastian Kehrer im Gespräch mit dem Forscher und Industriekenner Michael Bartz, über Arbeitswelten, Trends und Herausforderungen.
Zum Einstieg: Was ist “New World of Work”?
Dahinter verbergen sich drei Themen, die die Diskussion prägen. In der Auslaufphase der Pandemie stehen insbesondere die Fortführung von Home Office und Desk-Sharing sowie Büro-Architektur im Fokus. Das dritte Thema ist die Digitalisierung, wobei es darum geht, diese nachhaltig zu gestalten. Wie kann man das, was in der Pandemie improvisiert begonnen hat, in etwas Dauerhaftes übersetzen?
Wie hat die Pandemie hier zu einer Veränderung geführt?
Die Diskussion über Home Office hat schon in den 1990er-Jahren Fahrt aufgenommen. Soll man mobiles Arbeiten zulassen und wenn ja, in welchem Ausmaß? Noch vor der Pandemie haben zwischen 15 und 20% der ArbeitgeberInnen in Österreich Home Office ermöglicht. Durch die Pandemie hat ein Umdenken eingesetzt. Heute setzen nur noch ca. 20% der ArbeitgeberInnen nicht mehr auf Home Office oder mobiles Arbeiten. Der Trend hat sich genau umgekehrt. Nach der Rückkehr ins Büro sollte man sich darüber klarwerden, welche Konsequenzen das Arbeiten in dieser neuen Form für die Büroarchitektur hat?
Was bedeutet das für JungunternehmerInnen?
Gerade für Mittelstands- und Kleinbetriebe ist das ein sehr wichtiges Thema, weil Büroräumlichkeiten und Infrastrukturen ein sehr hoher Kostenfaktor und damit gerade für junge Unternehmen belastend sind. Wenn man Mittel freisetzen kann, indem man smarter zusammenarbeitet, sprich schlanke und hybride Konzepte anwendet, spielt das eine Rolle. Das Gute ist: Gerade in der Startup-Szene haben die meisten das hybride, mobile und digitalisierte Arbeiten ohnehin in ihrer DNA. Wenn solche jungen Unternehmen wachsen, besteht die Tendenz, dass dieses Know-how in Vergessenheit gerät. Dann müssen sie es schaffen, dies bewusst in die weiteren Wachstumsphasen mitzunehmen.
Ich nehme an, in der Forschung setzt ihr euch auch mit rechtlichen Rahmenbedingungen und der Politik auseinander. Bewegt sich da etwas und geht das weit genug?
Das Home Office Gesetz ist die am meisten greifbare neue Rahmenbedingung. Die hat teilweise zu Vorteilen, teilweise zu Nachteilen geführt. Sie war ein Pandemie-Schnellschuss, der viel Verwaltungsaufwand in Unternehmen erfordert hat. Allein die Einschränkung auf das Home Office statt auf freies, mobiles Arbeiten an beliebigen Orten, war eine Herausforderung. Dazu kam der Verwaltungsaufwand, um eine Home Office-Pauschale zu administrieren oder Home Office-Tage zu dokumentieren. Das hat eine ordentliche Welle ausgelöst. Auch sind viele Fragen um Arbeitszeit und Arbeitszeitaufzeichnung nach wie vor offen. Arbeitszeit ist fluider geworden. Es werden viele Arbeitsstunden heute immer noch nicht erfasst, die ArbeitnehmerInnen sozusagen durch die Finger rutschen. Vor allem findet dies bei All in-Verträgen, die in Kombination mit dem mobilen Arbeiten kontraproduktiv wirken, statt. Aufgrund der fehlenden Arbeitszeitaufzeichnung und der fehlenden Möglichkeit, Zeitausgleich zu konsumieren, wird diese Bodenlosigkeit oder Grenzenlosigkeit des mobilen Arbeitens sehr brenzlig.
Was passiert international, wer sind hier die Vorreiter und was sind die Trends?
In diesem Zusammenhang sind die Niederlande mit dem Recht auf mobiles Arbeiten zu nennen. Dort ist quasi die Beweispflicht umgekehrt worden, und der Arbeitgeber muss argumentieren, warum eine Bürokraft in einer bestimmten Position nicht mobil arbeiten kann. Auch die skandinavischen Länder sind erwähnenswert, für die schon vor der Pandemie mobiles und zeitlich flexibles Arbeiten Standard war.
Interessant ist es darüber hinaus, auf innovative Beschäftigungsmodelle zu blicken, z.B. auf das Jobsharing, im Zuge dessen sich zwei Personen eine volle Stelle im Sinne der Verbesserung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie teilen. Und damit ist nicht nur Kindererziehung gemeint, sondern auch die Pflege von Angehörigen.
Weitere wichtige Themen sind Zeitwertmodelle oder Zeitwertkonten. Das bedeutet, ein Leben lang Überstunden anzusammeln und von Firma zu Firma mitnehmen zu können – ein interessanter Ansatz im Vergleich zu einem Modell, das vorsieht, nach zwei oder drei Jahren nicht genutzte Urlaubstage oder Überstunden zu streichen. In Deutschland ist schon die zweite Gesetzesnovelle dafür geschaffen worden, und es gibt erste Unternehmen, die dieses Modell bereits eingeführt haben. Das Stichwort Zeit wird vermehrt kommen, auch wenn wir sehen, dass zwischen Firmen heutzutage schneller gewechselt wird. Das wäre auch ein riesiger Vorteil, wenn man temporär mehr leisten muss, durch Überstunden oder Verzicht auf die Nutzung von Urlaubstagen, diese bei einem Wechsel entsprechend mitzunehmen oder beliebig in Geld oder in eine Karenz zu übersetzen. Längerfristig gedacht kann man damit auch bewirken, früher in Pension zu gehen. Auch das ist ein möglicher Ansatz im Zeitwertkonten-Modell.