Mag. (FH) Florian Schleicher, Marketing-Experte und Nachhaltigkeitsenthusiast, über Potential und Schattenseiten von Green Marketing. Das Gespräch führt RA Dr. Michael Komuczky.

Was ist Dein Bezug zu Green Marketing?

Nach einigen Jahren Berufserfahrung habe ich mir eine Auszeit genommen und war in Australien. Dort ist es wunderschön, aber in den Weiten der Landschaft häuft sich der Müll. Auch an atemberaubenden Stränden kann man nicht ins Meer, weil die Erderwärmung die Quallen dorthin bringt. Da habe ich beschlossen, einen Beitrag zu leisten. Für mich ist die zentrale Frage: Wollen wir Superhelden sein, die die Welt retten oder die Bösen, die sie zerstören? Ich bin Marketing-Experte, habe 15 Jahre Erfahrung in großen Unternehmen, NGOs und Startups, war operativ und in Führungsrollen tätig und kenne auch die Agenturseite. Dieses Wissen möchte einsetzen. Jetzt bin ich selbstständig und berate Unternehmen bei der Strategie und Konzeption ihres Marketings.

Was bedeutet grünes Unternehmertum für Dich?

Wir UnternehmerInnen müssen uns der Verantwortung bewusst sein, dass wir mit jeder Entscheidung die Entwicklung der Welt mitgestalten. Wie Allbirds Co-Founder Joey Zwillinger sagt: „If you don’t measure your Carbone emission and pay for it, you are part of the problem.” Jedes Unternehmen kann etwas bewirken, auch im Kleinen. Wie fahre ich z.B. zu Kundenterminen, kaufe ich mein Equipment lokal oder nicht?

Welche Rolle spielt Green Marketing?

Die Grundregel der PR ist: „Tu Gutes und rede darüber!“ Wenn ein Unternehmen einen guten Beitrag leistet, dann soll es auch darüber sprechen. Dieser Markt wird immer wichtiger, in der Generation Z recherchiert die überwältigende Mehrheit die CSR-Einstellungen einer Marke, bevor sie kauft. In Österreich ist Nachhaltigkeit für 90% der KonsumentInnen relevant.

Wie grenzt sich das von „Greenwashing“ ab?

Es gibt Unternehmen, die Potential ausnützen wollen. Greenwashing liegt dann vor, wenn mit Nachhaltigkeit geworben wird, aber nichts dahintersteckt. Das Fatale ist die Täuschung der VerbraucherInnen. Es will niemand etwas Schlechtes tun, es kann sich auch nicht jeder immer nachhaltige Produkte leisten; aber wenn man Leuten Glauben macht, sie tun etwas Gutes mit dem Kauf eines Produkts, doch das entspricht nicht der Wahrheit, verfestigen sich schädliche Geschäftsmodelle.

Was wären Beispiele für Greenwashing?

Z.B. ein großes Unternehmen – nicht gerade ein Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit – hat eine „Machhaltigkeits“-Kampagne gestartet, wobei das „machen“. betont wird . Nun ist die Frage, ob da wirklich eine nachhaltige Strategie oder Produktion dahintersteckt. Noch deutlicher: Bei einem Modehaus wurde in Bezug auf eine als besonders grün und nachhaltig beworbene Kollektion nachgewiesen, dass 96% ihrer Behauptungen falsch waren. Damit werden junge KonsumentInnen, die glaubten, etwas Gutes oder wenigstens nichts Schlechtes zu machen, getäuscht.

Wie können sich KonsumentInnen schützen?

Oft zeigt sich das schon auf der Website. Gibt es einen Nachhaltigkeitsbereich? Was steht dort? Z.B. habe ich bei einem Schuhhersteller gesehen, dass er mit folgender Botschaft wirbt: „In unserem Verpackungsmaterial ist kein Plastik.“ Schön, aber deutet das etwa darauf hin, dass die Schuhe selbst dafür sehr wohl Plastik enthalten? Kritisch lesen ist auf jeden Fall sinnvoll.

Wie reagiert der Markt auf Greenwashing?

Große Konzerne werden von NGOs und anderen Watchdogs geprüft. Bei kleineren Unternehmen gibt es leider nicht so genaue Kontrollen. Trotzdem: Wenn einmal herauskommt, dass hinter einer grünen Kampagne nichts steckt, dann ist das Vertrauen auf lange Zeit verspielt. Das wiederherzustellen ist sehr schwer, da ein massiver Image- und Umsatzschaden entstanden ist und auch rechtliche Konsequenzen drohen. Darum rentiert sich Greenwashing auch bei den Kleinen nicht.

Was kann ein Unternehmen tun, um Greenwashing zu vermeiden?

Wichtig ist, sich wirklich mit der Materie zu beschäftigen. Greenwashing vermeiden heißt, keine halben Lösungen zu präsentieren, sondern Aktionen zu setzen. 86% der Unternehmen haben etwa ein Purpose Statement, aber 83% davon haben keine Strategie, was das konkret heißen soll. Alle sagen z.B., dass sie bis 2030 klimaneutral sein wollen, aber niemand hat sich überlegt, was das für die einzelnen Produktionsschritte im Unternehmen bedeutet. Aus meiner Sicht muss ein Unternehmen daher vier Schritte setzen, um tatsächlich Green Marketing betreiben zu können: Aufhören zu reden, Aktionen setzen und echten Systemwandel betreiben. Erst dann sollen sie darüber reden. Sonst ist man schnell im Greenwashing gelandet.

Rechtsinfo Greenwashing von RA Dr. Michael Komuczky
Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) untersagt u.a. die Irreführung von AbnehmerInnen. Andere MarktteilnehmerInnen dürfen nicht durch unrichtige Angaben zu einer Geschäftsentscheidung – etwa zum Produktkauf – verleitet werden, die sie sonst nicht getroffen hätten. In den vergangenen Jahren wurden dabei „grüne“ Themen wie Nachhaltigkeit, Umwelt und Bio immer häufiger. Wird in der Werbung behauptet, ein Produkt habe „grüne“ Eigenschaften, muss das im Streitfall dargelegt werden. Die Rechtsprechung ist streng, da Green Marketing besonders effektiv ist. Bei Verstößen gegen das Irreführungsverbot drohen Unterlassungsklagen (z.B. MitbewerberInnen oder VKI). Auch Vertragsanfechtungen und Schadenersatzansprüche sind möglich. Eine neue EU-Richtlinie bringt auch Strafen.

 

Autor: Dr. Michael Komuczky – Rechtsanwalt
© tanaonte/AdobeStock

 

Über den Autor

Ähnliche Beiträge