Bildung ist neben der Infrastruktur der zentrale Pfeiler für erfolgreiche Digitalisierung. Das gilt gleichermaßen für Individuen wie für Wirtschaft, Gesellschaft und Staat.
Berechtigter Optimismus und signifikante Schwächen
Im DESI-(Digital Economy and Society Index)-Report 2021 verbesserte sich Österreich um drei Plätze und liegt nun am 10. Platz im Vergleich der EU-27. Bestnoten gab es in den Kategorien „Humankapital“ und „Digitale öffentliche Dienste“, in allen Kategorien liegt Österreich über dem Durchschnitt von Dänemark (Platz 1) bis Rumänien (Platz 27).
Also alles bestens? Schaut man genauer hin, zeigen sich in Österreich jedoch Schwächen. Während die „grundlegenden digitalen Kompetenzen“ und „grundlegende Softwarekompetenzen“ (definiert als fortgeschrittene Excel-Nutzung bis hin zum Beherrschen einer Programmiersprache) sehr stark ausgeprägt sind, schaffen wir es bei „IKT-Fachkräften“ und „weiblichen IKT-Fachkräften“ nur noch knapp über den EU-Schnitt.
Bei „Unternehmen, die IKT-Weiterbildung anbieten“, liegen wir sogar darunter. Der Mangel an Fachkräften zeigt sich dann auch in weiteren Indikatoren wie „Big Data“, „Cloud“ und „Umsatz im Online-Handel“, bei welchen Österreichs Unternehmen anteilsmäßig deutlich unter dem EU-Schnitt liegen.
IT-Fachkräftemangel in Österreich
Allein in Wien fehlen der IT-Branche rund 6.000 Fachkräfte, österreichweit sogar viermal so viel (Wiener Wirtschaft, Ausgabe 25, S.15). Dieser Mangel gefährdet in weiterer Folge eine Verbesserung Österreichs im internationalen Vergleich und damit die Wettbewerbsfähigkeit und nicht zuletzt auch die Chancen der Digitalisierung für Unternehmen sowie für die Bevölkerung.
Dieses Bild zeichnet auch der Infrastrukturreport aus 2020. 93 Prozent der befragten ManagerInnen wünschen sich mehr Forschungs- und Entwicklungsförderungen für Digitalisierung in Unternehmen. 91 Prozent mahnen die Förderung der IT-Fachkräfteausbildung ein. (derStandard.at, Firmen fehlen mehr als 24.000 IT-Fachkräfte, 06.04.2021)
Aber wer soll es nun richten?
Unternehmen sind gefordert, die Bildung ihrer MitarbeiterInnen voranzutreiben und diese strategisch zu verankern. Da sind Eigeninitiative, Investition in die Kompetenzen der MitarbeiterInnen und die Lernfähigkeit der eigenen Organisation gefragt. Auch übergreifende Initiativen wie jene der Wiener IT-Branche, it-ausbildung.wien, sind ein guter Ansatz, da diese die Breite der Angebote einer IT-Ausbildung aufzeigen. Ob HTL, IT- Lehre, FH/Universität oder Kurse und Workshops, die Ausbildungs- und Weiterbildungswege zur IT-Fachkraft sind vielfältig und stehen jedem offen.
Zur organisationalen Lernfähigkeit gehört aber viel mehr als nur die Ausbildung von IT-Fachkräften. Dazu zählt vor allem, als Unternehmen einen Rahmen und Strukturen zu schaffen, in denen (lebenslanges) Lernen allen MitarbeiterInnen ermöglicht wird. Zusätzlich zu Lern- und Entwicklungssystemen braucht es dafür Strategien und Führungskräfte, die diese leben.
Aber auch für den Staat gibt es zwei wichtige Aufgaben: Außerhalb des Bildungssektors muss es Angebote an alle Altersgruppen geben, um eine digitale Teilhabe zu ermöglichen. Das ist nicht nur gesellschaftlich geboten, sondern auch eine wichtige Investition. Damit können Unternehmen digitale Produkte und Services erfolgreich anbieten, und die Gesellschaft kann somit von Digitalisierung profitieren. In den Schulen gilt es, die Grundlagen digitaler Kompetenzen zu setzen.
Damit ist keinesfalls „Programmieren für VolksschülerInnen“ gemeint. Vielmehr müssen bei den Jüngsten Kreativität, logisches Denken und soziale Kompetenzen gefördert werden. Auch die schrittweise Medienkompetenz gehört da selbstredend dazu. Erst darauf können Kompetenzen in Technologie, Programmierung oder auch Unternehmertum aufgesetzt werden.
Digitale Kompetenzen vergleichbarer machen
Einen möglichen Referenzrahmen dafür bietet der DigComp 2.2 der EU (in Österreich: DigComp 2.2 AT), der 25 Kompetenzen in sechs Bereichen definiert und das auf acht Kompetenzstufen. Die Kompetenzen reichen vom Umgang mit Informationen und Daten über Kommunikation und Zusammenarbeit bis zu Sicherheit und Problemlösung.
Die Kompetenzstufen gehen von „Einfachen Aufgaben“, die „unter Anleitung“ erfüllt werden können, bis „Komplexe Aufgaben unter Einfluss vieler interagierenden Faktoren“, die „vollständig autonom“ bewältigt werden. Allerdings scheint es zum derzeitigen Zeitpunkt nur sehr wenig Angebot für die höheren Kompetenzstufen 6 bis 8 zu geben. Dort, wo DigComp 2.2 schon als Referenzrahmen zum Einsatz kommt, werden vor allem Basiskenntnisse vermittelt. In der Ausbildung von IT-Fachkräften spielt er noch keine Rolle.
Jedem Einzelnen kann nur empfohlen werden, die Chancen der Digitalisierung für sich persönlich zu nutzen. Man kann nur unterstreichen, dass gerade für die IT, „Talent, Interesse und der Wille zum Lernen“(Rüdiger Linhart, Sprecher Wiener Berufsgruppe IT) mehr zählt als in anderen Branchen. Und das völlig unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder bisherigem Bildungsweg.